Entwicklungszusammenarbeit

Arbeit, die scheinbar längst überfällige Kategorie in meinem Afrika-Blog. Niemand von euch hat sich danach erkundigt, wie die Menschen hier in Namibia sind, wie das Essen schmeckt oder wie das Wetter ist. Wahrscheinlich, weil ich einfach davon erzählt habe. Stattdessen kamen unzählige Fragen nach meiner Arbeit (zwei oder drei). Stimmt, ich bin zum Arbeiten hier. Ohne das Praktikum wär ich wahrscheinlich nie in Namibia gelandet, ohne mein Praktikantengehalt wahrscheinlich sogar nie in Afrika.

6:30 Die Hunde fangen an zu bellen, mein Wecker klingelt. Neuerdings haben die Nachbarn eine Ziege, die anfängt zu meckern, wenn die Hunde bellen.

7:00 Die Sonne geht auf und scheint durch das Küchenfenster meiner Einzimmerwohnung. Vom Frühstückstisch aus sehe ich, wie die Vermieterfamilie das Haus verlässt. Ich habe es nicht weit und kann mir deswegen Zeit lassen. Durch das hügelige Windhoek West geht es zu Fuß ein paar Straßen stadteinwärts, es ist schon herrlich warm. Ich bin nicht der einzige, der um diese zu Fuß unterwegs ist. Aus allen Straßen kommen Studenten, viele sind schick angezogen und tragen Taschen oder Aktenordner unterm Arm. Nach nur 5 Minuten bin ich am GTZ Office.

8:00 Ich klingel am Eingangstor und Nande lässt mich herein. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Das Gebäude hier ist eines der 92 Länderbüros der GTZ weltweit. Insgesamt über 12.000 Mitarbeiter arbeiten für die Gesellschaft technischer Zusammenarbeit. Eine Bezeichnung, hinter der man nicht gerade Entwicklungszusammenarbeit vermutet. Dabei ist die 1974 gegründete Gesellschaft Deutschlands größte Organisation in diesem Bereich. Die GTZ arbeitet zwar unabhängig, bekommt aber fast ausschließlich von der Bundesregierung ihre Aufträge.



Ich gehe um das Gebäude herum einige Treppenstufen hinunter. Helena und Christina sitzen schon an ihren Schreibtischen in unserem kleinen Eckbüro. An der Wand hängt eine riesige Landkarte Namibias. Die Karte zeigt viel freie Fläche und einige Städte, die sich vor allem auf den Westen und Norden des Landes konzentrieren. Sie zeigt ein Land, das wie schon erwähnt, ein Land voller Gegensätze ist. Dem relativ hohem Entwicklungsstandard stehen der Gini-Koeffizient von 0.6, die Arbeitslosigkeit von 36% und der Prozentsatz der Einwohner mit einem Tagesbudget von weniger als einem US$ (40%) gegenüber. Diese Zahlen sind Ausgangspunkt für die Aktivitäten unseres PEG-Teams (Partnership for Economic Growth – Zusammenarbeit für wirtschaftliches Wachstum). In Namibia hat die GTZ vielleicht 20 Mitarbeiter, die beratend in verschiedenen Projekten mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten. Namibia ist erst seit 19 Jahren ein unabhängiger Staat, viele für uns selbstverständliche Abläufe und Prozesse sind hier völlig neu.

8:30 Ich setze einen Kaffee auf, bevor ich mich an die Recherche mache. Wie viele Unternehmen gibt es in Deutschland? In welchen Bereichen, wie groß sind sie, welche Produkte werden hergestellt? Ich habe keine Ahnung, doch auf irgendeinem Papier in Deutschland existieren diese Zahlen. Hier in Namibia nicht. Zur Zeit wird der erste große Zensus durchgeführt, eine Volkszählung für Unternehmen, bei der Statistiker von Unternehmen zu Unternehmen gehen und Interviews durchführen. Demnach wird bald zum ersten Mal eine Zahl veröffentlich werden können, man wird wissen wo in Namibia es welche Unternehmen gibt. Ein aufregender Fortschritt für lokale Wirtschaftler und Politiker. Doch was macht man mit diesen Daten, wenn man sie erst einmal hat? Diese Fragestellung wird mich vier Monate begleiten, vielleicht kann ich in einem abschließenden Bericht einige Antworten präsentieren.

10:30 Vor meinem Fenster steht ein Zitronenbaum, seit zwei Wochen sind die Früchte reif. Durch die Bürotür, die immer offen steht, blicke ich auf eine Palme. Es ist mal eine ganz andere Büroatmosphäre, eine sehr angenehme. In diesem Moment kommt Harald herein, mein Chef. Wir besprechen den Vorbereitungsbedarf für das diesjährige Wirtschaftsforums, auf dem internationale Sprecher Themen rund um die regionale Wirtschaftsentwicklung erörtern sollen. Bisher sind weder die Referenten gefunden noch die Teilnehmer eingeladen. Es fehlen noch das Logo für die Veranstaltung, die Finanzierung und auch die Presse muss irgendwann informiert werden. Ein zweiter großer Aufgabenbereich für mich.

13:00 Eine Stunde Mittagspause. In Windhoek gibt es viele gemütliche Restaurants und Cafès mit Innenhöfen oder Gärten. Die Preise erlauben es, fast jeden Tag Essen zu gehen. Aber auch das mitgebrachte Brot lässt sich im Schatten der Bäume neben dem Büro sehr gut geniessen.
14:00 Den Nachmittag widme ich meinem dritten großen Aufgabenbereich. Dem Budget der Städte. Wie viel Geld steht den Städten zur Verfügung, woher kommt es? Wofür wird es wieder ausgegeben? Auch für die Beantwortung dieser Fragen habe ich vier Monate Zeit und darf die Resultate abschließend präsentieren.

17:00 Um fünf Uhr muss ich mich beeilen, dass ich das Büro verlasse bevor der Haupteingang verriegelt wird. Zu Fuß gehe ich wieder zurück durch die hügeligen Straßen. Taxen fahren vorbei und hupen. Hinter mir liegt ein sehr angenehmer Arbeitstag. Die Atmosphäre im Büro ist locker und meine Aufgaben sind spannend. Ich lerne viel über das gesamte Land und kann sogar das Gefühl haben ein klein wenig zur Verbesserung der aktuellen Situation beizutragen.