Ausblicke

Ich sitze auf meiner Caprivi-Terasse, und blicke über Windhoek. Die kleine schattige Sitzecke hinter meinem Häuschen, in die gerade zwei Klappstühle passen, habe ich auf Grund des Ausblickes so getauft. Wenn man nachts von hier aus auf die Stadt guckt, bilden die Lichter der Straßenlaternen eine Skizze, die dem nord-östlistlichsten Zipfel Namibias, Caprivi, erstaunlich ähnlich sieht (Bild).
Hinter der Stadt kann man die Schatten einiger Berge erkennen, Windhoek liegt im Hochland. Dahinter beginnt auch schon die große Weite.
Während in der überschaubaren Hauptstadt immerhin noch 270.000 Einwohner leben, teilen sich in Namibia statistische 2,3 Einwohner einen Quadratkilometer. Da es sich aber kaum zu zwei komma dritt auf so einer großen Fläche leben lässt, sind weite Teile des Landes unbewohnt. Namibia ist ein weit entwickeltes Land. 80% der Bevölkerung hat Zugang zu öffentlicher Bildung und mittlerweile gibt es fast flächendeckend Strom- und Wasserversorgung. Die Straßen sind gut ausgebaut und die Häuser in den Innenstädten modern. Die Moderne scheint nicht einmal die Tradition verdrängt zu haben. Irgendwo da hinten in der Ferne vermute ich ein kleines Dorf, so wie ich es mir in meinem ersten Beitrag ausgemalt habe. Ein Dorf der San oder der Damara etwa. Denn diese Dörfer gibt es wirklich.

Doch die Realität lässt sich an einer einzigen wirtschaftlichen Kennzahl verdeutlichen: Namibia hat einen Gini-Koeffizienten von 0,7. Diese unscheinbare Ziffer bedeutet nichts anderes, als dass nirgendwo (!) auf der Welt der Unterschied zwischen Arm und Reich so groß ist wie hier in der ehemaligen deutschen Kolonie. Es ist ein seltsames Gefühl darüber nachzudenken, dass mein eigenes Einkommen ein Vielfaches dessen ist, was der durchschnittliche Namibianer im Monat zur Verfügung hat. 120 Euro. Und das ist nur der Durchschnitt. Dreißig bis vierzig Prozent der Einwohner Namibias haben keine Arbeit. Fast zu erschreckend um es in Zahlen auszudrücken ist die gesundheitliche Situation. Etwa 21% der Bevölkerung ist an AIDS erkrankt (ja, das ist jeder fünfte Einwohner). Dank ausländischer Entwicklungshilfe und auch inländischer Bemühungen entwickelt sich Namibia weiter. Nicht zuletzt die medizinische Grundversorgung hat davon profitiert. Doch entgegen aller Erwartungen zeichnet sich heute ein Bild ab, das schlimmer ist denn je. 1980 lag die durchschnittliche Lebenserwartung der Namibianer bei 58 Jahren. Heute werden Männer 42 Jahre alt, Frauen 38.

Ich bin letzten Samstag in einem Land der Gegensätze gelandet. Umgeben vom Traum eines jeden Abenteuer-Touristen und dennoch inmitten eines großen Alptraumes. Je nach Betrachtungsweise. Ich sitze noch auf meiner Terrasse, es ist dunkel und auf eine angenehme Temperatur abgekühlt. Fast ein halbes Jahr liegt noch vor mir, doch es fühlt sich an, als wär ich schon Ewigkeiten hier. Viele Themen gehen mir durch den Kopf. Reisen, Sicherheit, Arbeit. In den kommenden Tagen und Monaten werde ich davon berichten.
Kare nawa