Afrika 2009

"Dieser Kontinent ist zu groß, als dass man ihn beschreiben könnte. Er ist ein regelrechter Ozean, ein eigener Planet, ein vielfältiger, reicher Kosmos. Nur mit der allergrößten Vereinfachung, der Bequemlichkeit halber, können wir von Afrika sprechen. In der Realität, mit Ausnahme der geographischen Bezeichnung, existiert Afrika nicht.(Ryszard Kapuściński)


Das Khomas Hochland im März und August 2009

Afrika ist ein Kontinent, der nicht existiert. In der Vorstellung ist er die unendliche Savanne, in der Politik das nicht ernst zu nehmende Kind, in der Wirtschaft ein Zwerg. In der Tat ist der Kontinent noch heute so unsichtbar, dass es nur die Bilder der Extreme bis zu uns schaffen. Der traurige Blick eines abgemagerten Kindes, Bürgerkriege und Gesundheitskatastrophen. Es scheint als sei ein gesamter Kontinent die Verkörperung des Negativen auf dieser Welt - Krankheit, Gewalt und Tod. Damit wird jedes Interesse an Afrika zum Synonym der Philanthropie.

Aber in unseren Köpfen haben wir noch ein zweites Bild von Afrika. Das eines Traumes. Die in eine Staubwolke gehüllte Zebraherde auf der Flucht vor dem Löwen. Volksstämme, die mit spärlicher Bekleidung und bunten Bemalungen um Feuer herumtanzen oder Schulkinder die im Schatten eines Baumes unterrichtet werden.

Das ist Afrika. Ein Ort, den wir nur von Bildern kennen, den wir in seiner Gesamtheit eigentlich gar nicht begreifen können und es auch nicht wollen. Vielmehr dient der ferne Kontinent oft als Mahnung, als Erinnerung daran, dass es uns doch eigentlich viel besser geht als wir es empfinden. Kindern wird erklärt sie sollten sich glücklich schätzen mit dem was mittags auf dem Tisch steht, denn in Afrika hungerten die Kinder. Erwachsene schreiben die Namen von Hilfsorganisationen auf Überweisungsbögen, denn unser Geld kann in Afrika leben retten.

Wir stellen uns vor, wie dort in Afrika, an einem Ort von dem wir nicht wissen wo er liegt, Schulen gebaut werden. Oder Krankenhäuser und vielleicht auch eine Straße. Auf Plakaten und in Zeitschriften abgedruckte Bilder zeigen die vor Freude strahlenden Gesichter der Kinder, die zum ersten Mal ein Schulbuch in der Hand halten. Die erleichterten Gesichter der Mütter, die das Wasser aus modernen Brunnen bekommen und nicht mehr kilometerweit zum nächsten Fluss wandern müssen. Die strahlenden Gesichter der Menschen, wenn sie Säcke von Getreide in Empfang nehmen, die ein Hilfstransporter in das Dorf gebracht hat. Wir werden zu Kinderpaten und sind gerührt von Postkarten, die krakelige Danksagungen enthalten. Wir haben geholfen, etwas von unserem Überfluss abgegeben und Menschen eine Zukunft ermöglicht, die ohne Hilfe keine gehabt hätten.



Doch in unserer modernen Welt, in der das Reisen einfacher ist als je zuvor und Informationen sich in Sekundenbruchteilen um den Globus schicken lassen, tauchen auch noch andere Bilder auf. Bilder von Afrika, die nicht in unsere Vorstellung passen, die dafür prädestiniert sind unbetrachtet zu bleiben. Sie zeigen geschäftige Städte mit etlichen Hochhäusern und Einkaufszentren mit modernen Glasfassaden. Hupende Autos, geteerte Straßen, Menschen, die in Straßencafés einen Cappuccino trinken. Sie machen Werbung für Tauchkurse, Safaris oder Fallschirmsprünge. In welche Schublade können wir diese Bilder stecken? Garantiert nicht in die eine, in die wir vorher schon Afrika gelegt haben. Es sind unvereinbare Gegensätze. Die Bilder der lärmenden Städte würden unsere Vorstellung von den abenteuerlichen Savannen und der unendlich weiten, unberührten Natur zerstören. Die des Reichtums würden unser Mitleid, das wir für die Menschen in Afrika haben, in Gefahr bringen.

Es ist das fehlende Wissen, das uns daran hindert Afrika zu verstehen. Aber nicht nur. Vor allem auch weil wir es nicht müssen, wollen wir schlichtweg nicht begreifen, dass Afrika einfach nur ein weiterer Kontinent ist, der mit üblichen Transportmitteln zu erreichen ist und auf dem man leben kann, wie auf jedem anderen auch. Allzu perfekt deckt unser Bild von Afrika zwei Bereiche ab, die wir unbedingt in unserem Leben wissen, gleichzeitig im Alltag aber auf Distanz halten wollen: Elend und Abenteuer.


Blick von meiner Wohnung über Windhoek


Innenstadt Windhoeks


Inzwischen schreiben wir das Jahr 2010. Damit liegen meine ersten Erfahrungen auf dem bis dahin auch mir fremden Kontinenten bereits in einem vergangen Jahr. Um eines vorweg zu nehmen: Meine Zeit in Afrika hat nicht mich als Person grundlegend verändert, dafür aber sicherlich die Karten für meine Zukunft völlig neu gemischt. Namibia hat mich gefesselt wie kein Land zuvor.

Die größte Erkenntnis aus sechs Monaten im südlichen Afrika ist nicht so banal wie sie klingt: Afrika ist ein Kontinent. Ein Gebiet, das inzwischen 53 unabhängige Staaten umfasst und das damit so vielfältig ist, dass ihm die Zusammenfassung unter dem Begriff Afrika allerhöchstens geographisch gerecht wird. Womit wir zurück bei der oben zitierten Aussage von Ryszard Kapuściński wären.

Ohne konkrete Vorstellungen aber neugierig hatte ich die Koffer für ein halbes Jahr Afrika gepackt. Die darauffolgende Zeit sollte mein Weltbild um einen wesentlichen Teil erweitern. Der Traum in Afrika zu leben wurde auf einmal Realität. Von ganz alleine wichen damit die bis dahin angesammelten Einzelbilder einem immer umfassenderen Gefühl dafür, was Afrika wirklich bedeutet. Es war als las ich Tag für Tag in einem Buch, von dem ich schon viel gehört hatte, bei dem ich aber erst während des Lesens begriff, worum es eigentlich ging. Und es war ein unheimlich vielfältiges Buch. Auf eindringliche Weise erzählte es von Kulturen, Landschaften, Sprachen, Politik, Wirtschaft, Hoffnungen, Schicksalen und Freundschaft.

Ich habe mehr erlebt, als ich mir je erträumt hatte. Ich habe mit namibischen Politkern gearbeitet, habe in Dörfern von Urvölkern gestanden, mit einheimischen Familien am Lagerfeuer zu Abend gegessen, gesehen was Diktatur bedeutet, habe mir etliche Stunden mit anderen Reisenden die Flächen von Pick-ups geteilt und habe Sonnenuntergänge in der Wüste erlebt. Innerhalb von sechs Monaten bin ich geschätzte 12.000 Kilometer gereist und habe sieben afrikanische Länder besucht. Die unzähligen Begegnungen kann ich unmöglich in wenigen Sätzen zusammenfassen, doch fallen mir immer wieder Situationen ein, die unterwegs einfach passiert sind, die mir im Nachhinein aber viel bedeuten.


Jetzt bin ich zurück in Europa und habe die Chance von Afrika zu berichten und im Kleinen vielleicht das ein oder andere Vorurteil zu entkräften. Denn ich glaube das ist wichtig. Seit Jahrzenten ist Afrika Objekt negativer Berichterstattung in den Medien sowie solidarischer Predigten in den Kirchen. Es wird uns eingeprägt, dass wir dem verarmten Kontinenten, der von Gewalt und Krankheit geplagt ist, helfen müssen. Und genau diese verallgemeinernde Grundannahme ist in meinen Augen ein großer Irrtum. Ein Irrtum an dem die Wohlstandssteigerung Afrikas letztendlich scheitern kann. Zwar sind wir schon wesentlich weltoffener als wir es noch vor wenigen Jahrzenten waren, als die afrikanischen Ureinwohner von den Kolonialmächten kurzerhand als niedrigere Lebewesen eingestuft wurden, doch so richtig ernst nehmen wollen wir die Afrikaner bis heute nicht.

Mitleidig schauen wir auf Afrika als wäre der Kontinent nur ein einziger kleiner Ort, dessen Menschen grundsätzlich benachteiligt wären und ohne fremde Hilfe noch nicht einmal überleben könnten. Die Erkenntnis, dass auch diese Menschen geniale Einfälle haben, nachahmenswerte Moralvorstellungen besitzen und mitunter leistungsfähiger sein können als jeder Europäer, wird hingegen verdrängt. Das führt dazu, dass internationale Unternehmen nicht in Afrika investieren wollen, afrikanische Politiker international kaum Mitspracherecht haben und Touristen regelrecht erwarten das Elend in Afrika vorzufinden, von denen die Medien seit einher berichten. Solange wir die afrikanischen Länder auf all diesen Ebenen nicht Ernst nehmen, werden es die vielen Hilfsorganisationen, denen wir täglich Geld überweisen, schwer haben überhaupt Verbesserungen zu erreichen.

Am einfachsten wäre es wenn ein jeder nach Afrika reisen könnte um festzustellen, dass die Realität nur entfernt unseren Vorstellungen entspricht. Mit meinem Blog habe ich stets versucht zu zeigen wie ich Afrika erlebt habe. Doch selbstkritisch muss ich eingestehen, dass ich oft dazu tendierte von dem zu schreiben, was der Leser eines Afrika-Blogs erwarten würde. Ich habe Fotos vom Armenviertel Katutura gezeigt, über die Unsicherheit in Windhoek berichtet und erzählt, wie ich den Himba begegnete. Letztendlich wollte ich ja auch von meinem Abenteuer berichten und weniger davon, wie ich Kaffee trinkend auf meiner eigenen Terrasse saß, in Joe´s Beerhouse Stakes gegessen oder in Zimbabwe Tabu gespielt habe. Wahrscheinlich kann man daher genau die Wahrheit aus meinen Texten herauslesen, die man hören möchte. Man kann, muss aber nicht. Wenn ich einen Wunsch aus Afrika mit nach Haue gebracht habe, dann den, dass immer mehr Menschen umdenken lernen und Afrika nicht länger nur als Synonym von Armut und des Rückstand verstehen.


Denn Afrika ist so viel mehr. Es ist eine bunte Mischung aus Kultur, Modernität und Religion. Aus unendlicher Weite und Dörflichkeit. Aus Lebensfreude und Hoffnung. Aus Abhängigkeit und Zusammenhalt. Mich hat dieser warmherzige Kontinent gefesselt. Mindestens so sehr, wie es meine Sitznachbarin schon auf dem Hinflug prophezeit hatte: „Egal wie ungemütlich, unsicher und erschreckend die afrikanische Realität manchmal sein kann, die schönen Erinnerungen lassen dich nie wieder los.“ Sie hatte Recht.

Zu jeder Zeit hatte ich das Gefühl willkommen zu sein. Willkommen in dieser Welt, die so herzlich, bunt und spannend zu sein vermochte. Ich bin überaus interessanten und vor allem auch interessierten Menschen begegnet und habe mich unterwegs so frei gefühlt wie noch selten zuvor. Für mich steht schon jetzt fest, dass die sechs Monate im südlichen Afrika erst der Anfang gewesen sein sollen. Auch wenn mein Traum gerade erst in Erfüllung gegangen ist, träume ich jetzt davon wieder zurückzukehren und länger zu bleiben. Auf dem Kontinenten, den es definitiv und ganz lebendig gibt. Afrika. (06.01.2010)


Steppenbegegnungen









Unterwegs

Von A nach B Ein weißer Pickup hält. Als ich auf den Beifahrersitz klettere, brettert ein gelb-grüner Ford an uns vorbei. „Du hast Glück gehabt, dass du da nicht eingestiegen bist“, sagt der Fahrer grinsend. „Der Kerl hat nur noch ein Bein, er benutzt seinen Gehstock um Gas zu geben.“

Kontraste Ich schlage mein Zelt in auf einem Campingplatz direkt am Okavango auf. Die Anlage wirkt wie ein Dschungel, in den Baumkronen gibt es sogar Baumhütten für Übernachtungsgäste. Die Übernachtung kostet nicht viel und ist dennoch luxuriös. Toiletten, fließend Wasser und eine Bar. Als ich das Gelände verlasse um den Flusslauf zu erkunden, stoße ich auf zwei nackte Gestalten. Eine Mutter und ihre Tochter haben die Wasserleitung, die zum Camp führt, angezapft und duschen sich mit dem frischen Wasser.

Weltenbummler Im Norden Namibias treffe ich Rob. Der schlaksige Engländer ist gelernter Installateur und hat vor drei Monaten seinen Job geschmissen und mit dem Motorrad Afrika zu umrunden. Entlang der Westküste hat er schon fast die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, am Südkap will er seine Schwester treffen. Heute, ein Jahr später, erfahre ich, dass Rob es auf dem Rückweg nur bis nach Malawi geschafft hat. Von dem Land fasziniert ist er dort hängengeblieben, zumindest vorübergehend.

Entwicklung Auf dem Open Market in Katima Mulilo esse ich Maisbrei mit Fisch und Spinat. Es ist das zweite Mal, dass ich mich auf einem Open Market befinde, nachdem ich während meines Praktikums schon viel darüber gehört hatte. Irgendwie wirkt der Markt mit seinem geputzten Pflastersteinen und modernen Ständen künstlich. Die meisten Stände sind ohnehin nur karg ausgestattet und von Kundschaft fehlt jede Spur. Anderswo in Afrika habe ich die buntesten Märkte gesehen, auf denen auch nachts bei Kerzenschein noch Waren die Besitzer wechselten. Doch hier im Norden Namibias wird deutlich, dass eine gute Idee der Politik allein noch lange nicht reicht um Entwicklung zu erreichen.

Schattenwirtschaft Als ich am Straßenrand in Sambia eine Stunde auf eine Mitfahrgelegenheit warte fährt ein Auto an mir vorbei hält aber wenige Meter weiter am Straßenrand. Wie auf Kommando springt die Tür einer unscheinbaren Holzhütte auf und ein Mann mit Benzinkanister kommt hervor. Ein zweiter kommt herbeigelaufen und holt einen Kanister aus einem Erdloch. Ein dritter Mann steht etwas weiter ab merkt, dass er den Wettbewerb um dieses Auto verloren hat. Die beiden ersten Männer haben das Auto erreicht und zwischen ihnen entflammt ein Streit. Während der eine Benzin aus seinem Kanister gießt, steht der zweite fluchend daneben und versucht erfolglos auf den Fahrer einzureden. Alle zehn Minuten halten neue Autos und das Spiel wiederholt sich. Der Benzinverkauf hier ist illegal, über die naheliegende Grenze schmuggeln die Männer billiges Benzin aus Namibia nach Sambia.

Dokumente Unterwegs sammeln sich immer mehr Papiere an. Die Einreise nach Sambia, 50$, ein Stempel, eine Quittung. Visiten- karten von Mitfahr- gelegenheiten. Simkarten aus den verschiedenen Ländern, ein Ärzteattest aus Harare, Bustickets. Insgesamt bin ich 78 mal neu eingestiegen, ob in Taxen, Minibusse, auf Fähren, Fahrrad-Gepäckträger oder in Züge. Mal bezahlt, mal kostenlos, meistens abenteuerlich. Über- nachtet habe ich in Hostels, auf Campsites oder auf Sofas von Couchsurfern, einmal am Sand- strand Mosambiks. Für manch eine offizielle Bescheinigung habe ich Stunden gewartet, bin zwischen verschiedenen Büros hin und her gefahren, andere sind handgeschrieben.

Ohne Grenzen An den Victoriafällen treffe ich Nick, der nur wenig älter ist als ich. Er gehört der Vereinigung Anwälte ohne Grenzen an und hat gerade Kriegsgefangene aus dem namibischen Unabhängigkeitskrieg verteidigt. Seine nächste Station ist der Kongo, bevor seine abenteuerliche Reise ihn nach Simbabwe verschlägt. Dass der Freiwillige mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn überall mit offenen Armen empfangen wird, bezweifle ich.

Armut Als der Mann neben mir seine Lebensgeschichte herunterleiert, erwarte ich schon die Frage nach Geld. Doch dieses Mal ist es anders und der Mann bittet mich nicht um Bargeld sondern um ein Paket Mehl. Ich lasse mich darauf ein und kaufe ein Paket Mehl und ein Paket Zucker in einem Eckkiosk. Die Freude des Mannes ist echt, überglücklich wünscht er mir den Segen Gottes bevor sich unsere Wege wieder Trennen.

Unterwegs Ich sitze auf der Kante der Pickup-Ladefläche und klammere mich an der Fahrerkabine fest. Insgesamt über 20 Frauen und Männer teilen sich mir die nicht allzu große Fläche des Wagens. Es geht über eine kurvige Schlammstraße über Hügel und durch Pfützen. Jedes Mal wenn wir ein Schlagloch treffen, droht es mich vom Wagen zu werfen. So fahren wir eineinhalb Stunden und als die Sonne untergeht und der Fahrtwind kalt über die Fahrerkabine hinweg bläst, wird es still. Man merkt, dass alle nur noch darauf hoffen endlich anzukommen.

Reiseglück Ich sitze am Strand von Cape McClear in Malawi. Vor mir habe ich ein weißes Blatt Papier für meine weitere Reiseplanung. Tanzania und Zanzibar? Oder doch über den See und dann in den Norden Mosambiks? Johannesburg oder Harare? Ich habe Zeit, Spaß am Reisen und bisher so viele gute Erfahrungen gemacht, dass ich fast vergesse wie glücklich ich mich schätzen kann überhaupt hier zu sitzen. Der Traum durch Afrika zu reisen ist Realität geworden.

Innere Ruhe In einem dunklen Raum steht ein einzelner Computer, der Bildschirm flackert und quietschende Laute kommen aus dem Modem als sich die Internetverbindung langsam aufbaut. Ich bin in Senga Bay am Malawisee und versuche auf meine E-Mails zuzugreifen. Als sich das Postfach endlich öffnet finde ich eine E-Mail aus Schweden, die Antwort auf meine Bewerbung um ein Studium. Doch irgendetwas stimmt nicht, der Text ist zu kurz. Und tatsächlich lese ich den folgenschweren Satz „Ihre Bewerbung wurde gelöscht, da ihr Profil nicht den Anforderungen entspricht“. Für einen Augenblick bin ich geschockt. Mit der Absage fällt meine gesamte Planung für die Zeit nach Afrika, einen Plan B habe ich nicht und für neue Bewerbungen ist es ohnehin zu spät. Ich bezahle für das Internet und gehe ins Dorf. Als ich über den Markt schlendere und das bunte Marktreiben sehe muss ich grinsen. Was für eine Ironie. Gerade erst ist für mich eine ganze Welt zusammengebrochen und doch berührt es mich irgendwie gar nicht. Ich bin in Afrika, auf meiner großen Reise. Schweden ist weit weg, das Studium ist es auch. Irgendwie wird es schon weitergehen. Die Erde dreht sich weiter und es gibt nichts Unwichtigeres als den perfekten Lebenslauf. Kein Ort hätte mir das anschaulicher vermitteln können als das malawische Senga Bay.

Malaria Mein Kopf hämmert, meine Beine sind schwach und ich habe Schüttelfrost. Mit Mühe lese ich mir die Information auf dem Zettel auf und unterschreibe. 60$ damit ich einen Arzt sehen kann. Es ist eine nette Ärztin, die mir einige Fragen stellt. Dann bekomme ich zwei Spritzen, zu diesem Zeitpunkt würde ich allem zustimmen um die Kopfschmerzen loszuwerden. Noch einmal 110$. Dann wird mir Blut abgenommen. Mit der Blutprobe fahren wir einige Straßen weiter in ein Labor. 50$ und das Blut wird auf Malaria untersucht. Nach einer endlos langen Stunde dann das Ergebnis. Es ist kein Malaria. Es soll noch zwei Tage dauern bis die Medikamente wirken, aber der Befund ist beruhigend.

Irgendwie nirgendwo


Eines Abends schreibe ich einen verzweifelten Satz in meine Reisenotizen: "Die Stadt ist klein, hässlich und langweilig."
Es ist früher Morgen in Cuamba, einer Provinzstadt im Norden Mosambiks. Als ich in der Nacht zuvor ankam hatte ich entschieden den Zug am nächsten Tag nicht zu nehmen und stattdessen einen Tag in der Stadt zu bleiben. Eine Entscheidung, die ich schon bald bereuen sollte. Zwar stehe ich weder unter Zeitdruck möglichst schnell weiter zu kommen, noch fühle ich mich besonders unwohl in Cuamba. Doch schnell merke ich eines: hier gibt es absolut nichts zu tun.

Sogar der Wikipedia Artikel über das Städchen liest sich spannender als ein Rundgang durch dasselbe ist. 75.000 Einwohner, ein Wasserkraftwerk in den umliegenden Bergen, ein kleiner Flughafen, eine agrarwissenschaftliche Fakultät.
Als ich durch die weiten staubigen Straßen schlendere, sehe ich nichts davon. Ein paar Männer entladen einen LKW, ein anderer malt ein großes Logo auf die Wand seines Geschäftes. Eine handvoll Jugendlicher sitzt auf einem Bordstein. Doch sonst ist es still, die Sonne ist glühend heiß, Wachmänner sitzen rührungslos auf Plastikstühlen vor ummauerten Gebäuden. Ich finde ein Internetcafé, das über Computer aber keine funktionierende Internetverbindung verfügt. Etwas in  meinem Blog zu schreiben kann ich hier also auch vergessen. Dann stoße ich auf eine kleine Markthalle. Die Händler sitzen hinter ihren Holztischen und lächeln mich an. Streichhölzer, Schraubschlüssel, Seife, Fliegenfänger. Nutzlos. Ich such etwas zu essen, finde aber nur Bananen und trockenes Brot. Immerhin, denn Supermärkte gibt es hier nicht.

Zurück in meine Unterkunft, die Hitze macht müde. Ich habe ein kleines quadratisches Zimmer ohne elektrischen Strom und Fenster. Ich setze mich auf mein Bett und muss eine Kerze anzünden um etwas zu sehen. Aber das Lesen bei diesem Licht ist anstregend. Das Badezimmer auf dem Flur ist nicht sehr einladend. Es ist dunkel, stinkt nach Fäkalien, Mückenschwärme schwirrem um die Toilette und fließend Wasser gibt es nicht.

Ich gehe wieder zurück nach draußen, nehme meine Kamera mit um mir mit Fotografie die Zeit zu vertreiben. Doch letzentlich mache ich nur drei Fotos. Alle zeigen Mauern mit Logos oder Aufschriften. Ich fotografiere nicht ein Gebäude, nicht einen Menschen. Tudobom steht auf einer Mauer: Alles gut. Ja, alles ist gut. Es ist weder gefährlich hier, noch hektische oder ungemütlich. Alles gut eben. Neutral und langweilig. Mitten im wunderschönen Mosambik und doch mitten im Nichts.
Wo sind die Menschen, die hier leben? Womit verbringen sie ihre Zeit? Was zieht sie in diese Stadt? Ich soll es an diesem Tag nicht herausfinden. Als ich am nächsten Morgen den Zug besteige bin ich erleichtert endlich wieder unterwegs zu sein. Und doch bestätigt mir die Zwischenstation in Cuamba, dass ich auf der richtigen Route bin. Afrika ist eben nicht immer nur Musik, Sonne und Panorama.