In zwei Tagen nach Windhoek



Und auf einmal geht alles ganz schnell. Ich sehe auf dem Kalender, dass bald die Konferenz ansteht, die ich während meiner Zeit bei der GTZ mit vorbereitet hatte. Ich wäge ab. Noch bin ich in Zimbabwe, der Süden Mosambiks, Swasiland und Johannesburg wären die nächsten Etappen meiner Reise. Doch irgendwie habe ich das Gefühl mein Rucksack ist nach sechs Wochen schon vollgepackt mit unzähligen beindruckenden Erlebnissen und Begegnungen - der Entschluss ist schnell gefasst. Ich reise direkt zurück nach Windhoek, rechtzeitig zur Konferenz.
Ich habe Glück beim Trampen. Innerhalb von nur zwei Tagen schaffe ich es durch Botswana zurück in die namibische Hauptstadt.


Botswana - Auf traditionelle Weise hätte es etwas länger gedauert

Hier werde ich herzlich empfangen. Ich kann in meine alte Wohnung einziehen, die Fred und Steffen übernommen hatten. Jetzt endlich buche ich auch meinen Rückflug -für Anfang September. Es ist Sonntagabend und ich ahne noch nicht, dass ich früher zurückfliegen würde als gedacht.
Am nächsten Morgen bekomme ich eine E-Mail aus Stockholm. Meine Bewerbung für einen Master war erfolgreich, das Programm startet schon in zehn Tagen. Nach einer vorherigen Absage, hatte ich mit dieser Nachricht nicht mehr gerechnet. Doch nach einigem hin und her buche ich meinen Flug um. Zurück geht es jetzt schon am 20. August.

Einige Tage bleiben also noch und der Abschied fühlt sich nicht ganz so überstürzt an. Für die Zeit der Konferenz lege ich noch einmal das GTZ Kostüm an, es ist als wäre ich nie weg gewesen. Während der nächsten Tage sehe ich viele alte Gesichter wieder. Aber auch viele neue. Zum ersten Mal treffe ich die Sprecher aus den USA, England, Neuseeland und Südafrika, die wir eingeladen hatten. Unsere Einladung an die Konferenzteilnehmer war auf große Resonanz in den namibischen Regierungvertretungen gestoßen. Insgesamt 150 Teilnehmer, meist Bürgermeister, Stadträte und Ortsvorsteher sind gekommen um Vorträge zum Thema der lokalen Wirtschaftsentwicklung zu hören. Der Minister hält die Eröffnungsrede und erzählt einen dreckigen Toilettenwitz um das Eis zu brechen. Der engagierte Entertainer für den feierlichen Eröffnungsabend zieht gleichermaßen über die Deutschen, die Namibianer und die Sprecher aus den verschiedenen Ländern her. Selbst seine Witze über den Präsidenten und seine Partei erscheinen gefährlich kritisch, doch er erntet großen Applaus. Das ist Namibia!

 
 
Es folgen drei spannende Tage zwischen Konferenzsaal, Mittagsbuffet und Abendprogramm mit den Sprechern. „Das hier ist mit dein Werk“, sagt mein Chef Harald als wir vom Grundstück des Safari Court Hotels fahren und ich merke wie froh ich bin noch rechtzeitig zurückgekommen zu sein.


Zimbabwe


In Zimbabwe erwischt mich eine schwere Grippe. Unterwegs krank zu sein ist das Horrorszenario und nach zwei Tagen ohne Besserung bekomme ich Panik, denn Die Symptome entsprechen denen der Malaria. Couchsurfer Paolo bringt mich zum Arzt: „Keine Angst, das hier ist eine moderne Praxis, wir gehen nicht zu Wunderheilern“, versichert er mir grinsend. Nach nur einer Stunde gibt die Ärztin Entwarnung, es ist keine Malaria. “Was ist es dann, vielleicht die Schweinegrippe?“, scherzt Paolo. Doch die Ärztin zuckt nur mit den Schultern: „Durchaus möglich. Wir haben nicht die medizintechnischen Möglichkeiten das genau zu bestimmen. „Hoffentlich nicht. Schweine haben wir hier schon genug. In dem großen Gebäude in der Innenstadt meine ich“, scherzt Paolo weiter. Damit meint er das Gebäude der ZANU-PF, die führende politische Partei in Zimbabwe.

Es ist das Land, das mich auf meiner Reise am meisten überrascht hat. Es ist die Reise durch einen Staat, der sich so spürbar im Umstrukturierungsprozess befindet, dass ich das Gefühl habe durch ein Kapitel eines Geschichtsbuches zu reisen, das gerade erst geschrieben wird.
Vor zehn Jahren muss Zimbabwe einmal weit entwickelt gewesen sein, regelrecht ein Vorbild in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung. Der Unterschied zum Norden Mosambiks, aus dem ich gerade komme, ist drastisch. Die Städte sind relativ groß, Häuser architektonisch komplex und es gibt Industriegebiete. Hier scheint es einmal sehr lebendig gewesen zu sein, sowohl wirtschaftlich als auch sozial.





Doch heute zeichnet sich ein anderes Bild ab. Gebäude sind heruntergekommen, Fabriken stillgelegt und Geschäfte verriegelt. Scheinbar ist auf nichts mehr Verlass. Fahrpläne ändern sich täglich, es gibt kaum noch Hotels und erst so langsam kehren Produkte in die mager ausgestatteten Supermärkte zurück. Auf einmal halte ich einen 100 Trillionen Zimbabwe-Dollar Schein in der Hand – er ist ein Zeuge des totalen wirtschaftlichen Kollapses und zugleich völlig wertlos. Für lange Zeit mussten die Einwohner Zimbabwes ohne Geld auskommen, erst aktuell wurden der US-Dollar und der südafrikanische Rand als Ersatz eingeführt.

Die Situation hat sich innerhalb der letzten Jahre zwar verbessert, doch noch immer leiden die Einwohner unter ständigen und lang anhaltenden Stromausfällen sowie abbrechender Wasserversorgung. Und das Leben ohne zuverlässige Stromversorgung in einem einst entwickelten Land ist abstrus. Auf alte Kühlschränke ist kein Verlass mehr, Internet gibt es nur noch sporadisch und Telefonanrufe finden selten einen Anschluss.

Aus der Not heraus haben sich starke informelle Netzwerke entwickelt. Hat man das System erst einmal durchblickt, weiß man auf welchem Privatgrundstück man Fleisch kaufen kann, wer Autos repariert und wer der beste Ansprechpartner für Importe aus dem Ausland ist. Neuwagen scheint es kaum noch zu geben. Viele Fahrzeuge sind so alt, dass sie regelrecht auseinanderfallen. Mein Taxifahrer navigiert sein Gefährt einhändig, während er mit der anderen die Fahrertür festhält, die aus den Angeln zu fallen droht. Nach Sicherheit fragt hier niemand. Ganz im Gegenteil, man ist froh, dass es ein halbwegs normales Leben endlich wieder möglich ist.


Und hinter dem großen Chaos steht ein einziges Gesicht. Es ist das des aktuellen Präsidenten Robert Mugabes, der inzwischen 85 Jahre alt ist und sich nur noch durch radikale Maßnahmen an der Macht hält. Einst war er Hoffnungsträger der ehemaligen Kolonialmacht England, die ersten seiner Amtsjahre liefen gut. Doch dann entschied sich Mugabe zur Hetzjagd auf die weiße Bevölkerung, zur radikalen Umverteilung von Landbesitz, zur persönlichen Reichtumsvermehrung und gegen die Prinzipien der Demokratie. Innerhalb kürzester Zeit kippte die Stimmung im Land, nichts sollte mehr so sein wie vorher. Auf den Abzug sämtlicher internationaler Hilfsgelder antwortete Mugabe mit dem unbegrenzten Druck von neuen Banknoten.
Immer noch steht Zimbabwe auf der schwarzen Liste vieler auswärtiger Ämter, die meisten Touristen drehen einen großen Bogen um das Land. Doch da sich die Situation beruhigt hat, ist das Reisen wieder möglich. Und die wenigen Individualreisenden, die sich heute in das Land verirren, werden mit einer beispiellos herzlichen Dankbarkeit aufgenommen. Die Menschen im Land freuen sich über jeden Besucher.



Dass Zimbabwe eines der geschichtsträchtigsten und traditionsreichsten Länder im südlichen Afrika ist, wird einem bei einem Besuch in Great Zimbabwe bewusst. Hier stießen Forscher auf die ältesten Spuren von Zivilisation in Afrika südlich der Sahara. Die heute noch begehbaren Mauerreste lassen erahnen, wie die Menschen im 11. Jahrhundert lebten. Die Stadt, in der einmal bis zu 20.000 Menschen wohnten, gilt als Geburtsort des heutigen Zimbabwes.



Ilha de Mocambique


Ilha de Mocambique ist UNESCO Weltkulturerbe und wahrscheinlich einer der bizarrsten Orte Afrikas. Die Insel, Mitte des 15. Jahrunderts von Vasco da Gama entdeckt, wurde zur ersten Kolonie der Portugiesen, die später das heutige Mosambik gründen sollten. Noch heute ist der portugiesische Einfluss unverkennbar.

Die kleine Insel ist vollgepackt mit Steingebäuden und Palästen aus der Kolonialzeit, darunter die Kappelle Nossa Senhora de Baluarte, das älteste europäische Gebäude in der südlichen Hemisphäre. Die schmalen schattigen Gassen wirken wenig afrikanisch, die vielen Motorräder schon gar nicht. Doch heute gehört die Insel den Einwohnern Mosambiks. Die Portugiesen haben sich zurückgezogen und ihre Gebäude ohne Weiteres den einheimischen Familien vom Festland überlassen. Dass diese überhaupt keinen Gebrauch für die großen Steingebäude haben, verdeutlicht der heutige Zustand der kleinen Steinstadt. Die Häuser sind heruntergekommen, Wände eingefallen, die Räume im Inneren leblos leer. Und doch, auf den zweiten Blick sieht man Menschen aus den Häusern kommen, die sie zwar nur minimalistisch eingerichtet haben, ihnen aber trotzdem Schutz vor Wind und Sonne bieten. Aber mit dem Verfall der Stadt wird das Leben zwischen den Steinwänden immer gefährlicher. Heute suchen die Einwohner wieder europäische Investoren, welche die Gebäude nach und nach renovieren können.

Vasco da Gama




„In ein paar Jahren wird Ilha wieder in europäischer Hand sein“, sagt Handy. Sein eigentlicher Name ist Viagem, doch er sei ein praktischer Mensch, der seine Hände zu benutzen wisse, daher sein Spitzname. Handy ist 20 Jahre alt, hat sein Leben auf der Insel verbracht und weiß mehr über diese als jeder andere. Oft führt er Besucher über die Insel, zum alten Fort oder dem Sklavenhaus etwa. So auch mich, nachdem ich ihn zufällig auf der Straße treffe. Dann abends lade ich ihn auf ein Bier ein, die vier Tage auf der Insel sind genug für eine echte Freundschaft. „Wenn die Europäer wieder kommen, wird es kein Platz mehr für uns auf der Insel geben. Aber auf der anderen Seite wird die Insel dann wieder wunderschön sein.“

Wir kommen aus der alten Steinstadt auf den südlichen Teil der schmalen Insel. Hier wohnen die Einheimischen in kleineren Ziegelsteinhäusern mit Strohdächern. Da die Insel einst komplett aus Stein bestand, haben die Einwohner große Vertiefungen in ebendiesen gehauen und ihre Gebäude vor dem Wind geschützt unter dem Meeresspiegel gebaut.

Die Steinstadt im Hintergrund - vorne die Häuser der Einheimischen

Straßenszene in den tiefergelegenen Siedlungen

Die heutige Insel hat zwei Gesichter, die koloniale Steinstadt und die tiefer gelegten Häuser der Mosambikaner. Ich versuche mir vorzustellen, wie es aussehen würde, sollte Handy Recht behalten und die Insel in wenigen Jahren wieder komplett in europäischer Hand sein.

Dass immer mehr reiche Europäer auf die Insel kommen, die bisher durch die Unzugänglichkeit des mosambikanischen Nordens geschützt war, ist sehr gut nachvollziehbar. Wir treffen zwei Südafrikaner, die Handy und mich auf einen Bootstrip einladen. Wir fahren auf eine nicht weit entfernte Insel.


Der weiße Sand und das azurblaue Wasser erscheinen unwirklich. Die Strände zählen zu den schönsten der Welt und doch haben wir die Insel für uns. Durch einen kleinen Fauxpas verlängert sich der Ausflug ungewollt. Als wir genug vom Strand haben und zurück zum Boot gehen, steht dieses auf dem Trockenen. Es dauert vier Stunden bis zur nächsten Flut, aber der schlechteste Platz zum Warten ist die paradiesische Insel sicher nicht.


Mit Zimbabwe vor Augen, packe ich meinen Rucksack, die Reise geht weiter. Zum Abschied drückt mir Handy eine alte Münze in die Hand. Sie trägt die Inschrift „República Portuguesa“. „Mit diesen Münzen haben die Portugiesen meine Vorfahren bezahlt. Meine Vater war Rikscha-Fahrer hier auf der Insel.“

Irgendwie haben es die Mosambikaner nach so vielen Jahren der Versklavung und Unterdrückung verdient die Insel für sich zu behalten!


Gegessen werden gegrillte Maiskolben

Kinder in ihrer Siedlung

kleine Prinzessin der Straßen

Der schwierige Norden


„Reisen in Afrika ist gar nicht so schwierig, wie immer gesagt wird.“ So sah mein Urteil nach den ersten drei Reisewochen aus. Ganz im Gegenteil, denn wenn man nur flexibel genug ist, kann Reisen hier richtig spannend sein. Das erste Mal, dass ich längere Zeit am Straßenrand stand um eine Mitfahrgelegenheit zu finden, gesellte sich direkt ein Junge zu mir. Er würde so lange mit mir warten, bis jemand vorbeikäme, sagte er entschlossen. Die besten Vermittler von Mitfahrgelegenheiten waren Polizisten an Straßenkontrollstellen. Einmal von einem Polizisten gefragt, konnten die Autofahrer kaum noch ablehnen mich mitzunehmen. Das funktioniert auch in Namibia, wo Trampen eigentlich untersagt ist.

Die Fahrten waren immer wieder eine Überraschung. Einmal saß ich fünf Stunden zwischen Schulkindern im Bus einer Mission aus Südafrika und habe Hangman gespielt, ein anderes Mal hatten zwei Männer Spaß daran ihren Allradantrieb auszuprobieren und machten einen einstündigen Umweg für mich. Weniger spaßig war die Geldstrafe, die mein Fahrer in Sambia dafür bekam mich mitgenommen zu haben, ohne eine Lizenz zu haben. Je ländlicher die Gegend, desto abenteuerlicher das Reisen. Entweder wurden die Fahrzeuge immer kleiner, oder aber die Anzahl der Passagiere immer höher. Wenn ich mir nicht mit zehn anderen Passagieren die Ladefläche eines Pickups teilen durfte, saß ich mit angewinkelten Beinen in einem Minibus und habe nicht selten Bäume gezählt um von schmerzenden Körperteilen abzulenken. Man gewöhnt sich an vieles und selbst als ich mit vier anderen Personen auf den vorderen zwei Sitzen eines normalen Kleinwagens saß (das schließt zwei Personen auf dem Fahrersitz ein), ist meine Ungläubigkeit schnell einer Gleichgültigkeit gewichen. So ist das Reisen hier eben, anders aber es funktioniert gut.

Dachte ich, doch dann kam der Norden Mosambiks. Die weitestgehend unbewohnte Fläche zwischen Malawi und dem indischen Ozean stellt für mich zwei Rekorde auf. Zum einen ist sie die wahrscheinlich schönste Natur, die ich jemals gesehen habe und zum anderen das am schwierigsten zu bereisende Land. Es scheitert schon am Wesentlichsten, der Sprache. Mein Plan, mit den portugiesisch sprechenden Einwohnern einfach Spanisch zu reden, schlägt völlig fehl. Stattdessen muss ich meist mit Zeichensprache improvisieren. Hier im Norden fange ich auch zum ersten Mal an, mir über Essen Gedanken zu machen. Auf einmal gibt es keine Supermärkte mehr, während die Familien von dem leben, was sie anbauen, muss ich mich mit dem zufrieden geben, was auf der Straße verkauft wird. Oft sind das nur Bananen und trockene Kekse. Morgens, mittags, abends.
Geduldsprobe Nummer eins ist noch sehr angenehm. Mit dem Zug fahre ich eine Strecke von 300 Kilometern, für die wir 10 Stunden brauchen. Der Zug hält in jedem kleinen Dorf, die Bewohner kommen auf die Wagons zugelaufen und verkaufen ihre Ernten. Mal sind es Bananen, mal Erdnüsse, mal Zuckerrohr. Als ich erzähle, dass Züge in Deutschland die Strecke in einer Stunde fahren können, machen die Menschen große Augen. Allerdings erst nachdem ein englischsprachiger Mosambikaner ins Portugiesische übersetzt hat.




Horror wird das Reisen erst, als ich in einem Dorf ungereinigtes Wasser trinke. Am nächsten Tag rebelliet mein Körper, zu diesem Zeitpunkt sitze ich schon zwischen zwanzig Mitreisenden auf einem Pickup. Die Fahrt will kein Ende nehmen, ich sitze hinten auf der Ladefläche, muss mich an Maissäcken festkrallen und kämpfe gegen die Übelkeit. Kalter Fahrtwind fegt mir ins Gesicht und die Schlaglöcher der Schlammstraße drohen mich vom Wagen zu katapultieren. Zu allem Überfluss hält mein Sitznachbar ein Huhn im Arm, das direkt vor meinem Gesicht immer wieder aufgeregt mit den Flügeln schlägt. Doch als es dann schließlich ein Ei legt, muss auch ich lachen. Erst sieben Stunden später, als es schon längst dunkel ist, kommen wir an.

Der nächste Tag stellt die Geduldsprobe Nummer zwei dar. Um Punkt sechs Uhr morgens nehme ich Platz in einem Minibus, mein Rucksack wird im Kofferraum verstaut. Ich frage den Fahrer, wann es losgehe. „Jetzt sofort“, sagt dieser, doch ich sehe die vielen leeren Sitze und mache mich auf eine Wartezeit gefasst. Lange Geschichte kurz: Noch elf Stunden später sitze im selben Minibus, der sich keinen Zentimeter bewegt hat. Ich glaube, noch nie habe ich so lange auf irgendetwas gewartet. Elf Studen zwischen Wut, Verzweiflung und Gleichgültigkeit in der afrikanischen Sonne. Beruhigend ist es, dass nach 5 Stunden sogar die einheimischen Fahrgäste ausrasten. Doch der Fahrer bleibt stur: Solange der Bus nicht voll ist, geht es nicht los, auch wenn das erst am nächsten Tag sein sollte. Als es abends endlich losgeht ist alle Wut vergessen, wir sind einfach nur erleichtert.

Es sind nur kleine Einblicke in viele Stunden einer anstrengenden Reise durch den Norden Mosambiks. Doch im Nachhinein sind es gerade diese Stunden, die mir am meisten in Erinnerung bleiben und die somit die wertvollsten sind.

Moçambique


Als mich das Horn der Ilala aus dem Schlaf schreckt, ist es ein Uhr nachts. Ich war auf dem unteren Deck der Fähre im Sitzen eingeschlafen. Wir gehen vor Metangula in Mosambik vor Anker. Mit meinem Rucksack bahne ich mir den Weg über die schlafenden Menschen und klettere in das Beiboot. Anscheinend bin ich bin der einzige, der hier die Fähre verlässt. In einem Gebäude am Strand brennt Licht, hier muss ich versuchen mein Einreisevisum zu bekommen. Doch der Beamte hinter dem Schreibtisch schüttelt den Kopf.“Hier kann ich kein Visum ausstellen. Haben Sie denn keines im Voraus beantragt?“. Er blättert unschlüssig in meinem Reisepass hin- und her. Als ich mir schon ausmale, wie ich zurück auf die Fähre muss, ohne genug malawische Währung diese zu bezahlen, lenkt der Grenzbeamte ein. Er redet auf Portugiesisch und ich verstehe nicht jedes Wort. Doch ich kann im Land bleiben, soll mich aber am Morgen in der nächstgrößeren Stadt melden um dort ein Visum zu bekommen. Es ist mitten in der Nacht und die Suche nach einer Unterkunft im unbeleuchteten Metangula ist erfolglos. Schließlich kehre ich zurück zum Strand, rolle meine Isomatte aus und sehe zu, wie die Ilala wieder ablegt. Irgendwann schlafe ich ein, es sind meine ersten Stunden in Mosambik.

Die Ilala


Nicht immer bin ich auf den Strassenverkehr und die vollgepackten Chapas (Minibusse) angewiesen.Um auf die Likoma Island im Lake Malawi zu kommen, muss ich die Faehre nehmen. Doch auch das funktioniert in Afrika anders. Als ich in Monkey Bay meinen Rucksack auf dem Deck ablade, ahne ich noch nicht, dass ich insgesamt 55 Stunden auf der Faehre verbringen werde. Das Schiff ist in drei Klassen eingeteilt. Oben auf dem Sonnendeck die erste Klasse Passagiere, in der Mitte Kabinen und unten Economy, in der fast alle Einheimischen reisen.


Als wir in Nkothakotha vor Anker gehen wird klar, dass sich die Reise um einige Stunden verzoegern wird. Am Strand warten hunderte Passagiere mit Unmengen an Gepaeck. Mit einem einzigen Beiboot wird das Schiff be- und entladen. Es ist Nacht, die Wellen hoch und der Wind kalt. Es ist eine stundenlange Prozedur. Riesige Saecke Mais, Moebel, Kleidung, Bananenstauden und aufgeregte Huehner werden an Bord gehievt. Ploetzlich entdecken die Passagiere des Beiboots ein Leck. Doch es muss weitergehen, ein Mann schaufelt die Wassermassen aus dem Rumpf des kleinen Bootes, waehrend dieses auf ein Neues beladen wird. Nach sieben Stunden sind wir wieder bereit zum Ablegen.

Das untere Deck gleicht nun einer grossen Lagerhalle. Saemtliche Gaenge sind mit Saecken und Moebeln zugestellt, man muss regelrecht darueberklettern und dabei aufpassen nicht einen der Passagiere zu erwischen, der inmitten des Chaos unter einer Decke schlaeft. Es riecht unangenehm nach einer Mischung aus Trockenfisch und Diesel. Als der Koch mir durch das Gitter seiner dunklen Kueche einen Plastikteller mit Nsima reich, habe ich schon fast keinen Appetit mehr. Der hohe Wellengang tut das Uebrige.
Ich bahne mir den Weg zurueck auf das obere Deck, wo es unangenehm windig ist. Die Nacht unter freiem Himmel ist rauh und zu allem Ueberfluss faengt es auch noch an zu regnen. Es ist der erste Regen seit Wochen.

Es ist 2 Uhr nachts am uebernaechsten Tag als die Faehre in die Bucht von Likoma Island einfaehrt. Im Halbschlaf schnalle ich mir den Rucksack auf und werde dann regelrecht von den Menschenmassen in das Beiboot gedraengt. Die letzten Meter an Land wate ich durch das knietiefe Wasser. Land unter meinen Fuessen! Eine absolut abenteuerliche Fahrt, fast so spannend wie ein Segeltoern.


Ach und ja: Ich bin mitten in Malawi, auf einer vollgepackten Faehre, auf dem Weg zu einer abgelegenen Insel. Doch neben mir an der Rehling steht Eva, sie ist Deutsche und hat ein Jahr in Malawi gearbeitet. Nach einiger Zeit stellen wir fest, dass wir aus der gleichen Stadt kommen. Eva ist die Cousine eines alten Klassenkameradens.