Sicherheit

Zip…zip…zip…Kein anderes Thema beschäftigt mich seit meiner Ankunft so sehr, wie die Sicherheit. Was läuft falsch in einer Stadt, in der die reicheren hohe Mauern um ihre Häuser bauen? Wenn man durch die Straßen geht, hört man das leise Ticken der Stromzäune, die zusätzlich oben auf den Mauern angebracht sind. Kläffende Hunde und Alarmanlagen runden das Bild ab. Vor einigen Häusern sitzt sogar Wachpersonal im Schatten der Bäume.

Wenn man durch die Straßen geht? Sollte man doch eigentlich gar nicht. Jedenfalls nie alleine und schon gar nicht im Dunkeln. Wenn man spät noch das Haus verlassen muss, dann höchstens im Taxi. Aber nicht irgendein Taxi, auf keinen Fall eines, in dem schon andere Personen sitzen. Am besten ruft man ein Call-Taxi, die sind 5 mal teurer, dafür aber sicher. Und Wertgegenstände? Niemals bei sich tragen, weder zu Fuß noch im Taxi. Das gilt für die gesamte Stadt.

Fast jeder, den ich treffe, hat eine passende Geschichte zu erzählen. Etwa die Dänin, die in ein falsches Taxi stieg, von diesem an ein falsches Stadtende gefahren und ohne Geld wieder auf die Straße gesetzt worden ist. Als sie den Fall der Polizei meldet, erfährt sie, dass es bereits eine lange Liste ähnlicher Vorfälle der letzten 12 Tage gibt. Sie steht an Stelle 577. Oder die beiden anderen Praktikantinnen, die in der Stadt unterwegs waren. Ein Auto hält an, zwei Männer springen heraus und entreißen ihnen ihre Taschen. Meinen letzten Glauben daran, dass man diese Situationen mit ein wenig Verstand umgehen kann, verliere ich als ich Shivelas Geschichte höre. Shivela, unser Fahrer und Büroassistent, ist Namibianer. Er ist groß und kräftig gebaut. Schon von meinem Vorpraktikanten hatte ich gehört, dass man mit Shivela auch mal Nachts nach Katutura kann um einen draufzumachen - Shivela passt auf. Vor zwei Wochen ist Shivela in seinem Haus überfallen worden. Die Eindringline bedrohten ihn mit einer Waffe, räumten sein Zimmer leer und forderten auch die Autoschlüssel. „So etwas überlebst du normalerweise nicht. Die gehen sicher, dass keine Zeugen zurückbleiben”. Seine Worte prägen sich ein.
Ich bin verunsichert, zum ersten Mal. Erinnerungen an Belize City kommen hoch. Damals hatten wir die Situation unterschätzt und waren froh nach einer Nacht wieder weg zu sein. Ich bleibe mindestens vier Monate hier. Die unzähligen Warnungen kommen an, ich glaube an die Horrorgeschichten. In den ersten Tagen gehe ich nur kurze Strecken. Schnell einkaufen oder den kurzen Weg zur Arbeit. Verunsichert drehe ich mich um, sobald ich Schritte hinter mir höre. Es dauert einige Tage bis ich begreife, dass dies die falsche Einstellung ist. Einmal sitze ich im Taxi. Ich schrecke zusammen als der Fahrer plötzlich hinter meinen Sitz greift. Er sucht nach einer Flasche Wasser. Spätestens in dieser Situation entwickle ich eine Wut. Eine Wut auf die unzähligen Warnungen und die Verunsicherung. Es verlang jetzt eine gewisse Ignoranz auch alleine durch die Stadt zu laufen oder nachts einfach in das nächstbeste Taxi zu steigen. Sicher. Doch Geld habe ich immer nur so viel dabei, wie ich gerade brauche und vom Ausweis trage ich nur eine Kopie bei mir. Wenn es sich vermeiden lässt, habe ich keinen Rucksack auf. Das Risiko besteht weiterhin, aber wenigstens kann ich auf diese Weise ohne Angst durch die Stadt laufen und den Menschen ohne Vorurteile begegnen. Daran arbeite ich zumindest. Und so höre ich weiterhin das Geräusch der Stromzäune…zip...zip…zip.